Upcycling, „cost per wear“ und zum Ende des Jahres die besinnliche Frage, ob sich das alles hier eigentlich lohnt

Heute schreibe ich einen Blogbeitrag über ein Kinder-Langarmshirt, das ich zu einem T-Shirt gekürzt habe. Ich mache oft kleine Reparaturen und schreibe darüber in der Regel keine Blogbeiträge. Mir geht es heute auch gar nicht um die Technik (Anleitung: Ärmel abschneiden, neu säumen, fertig – hier gibt’s nicht mal besonders viele schöne Fotos). Aber ich würde gerne etwas zum Thema „cost per wear“ und Nachhaltigkeit schreiben.

„Bettina, das lohnt sich wirklich nicht“. Ich hatte meinem Mann gerade erklärt, dass man das alte Lieblings-„Xmas-Tree-Rex“-Shirt (das übrigens das ganze Jahr getragen wird) noch retten könne, indem man die völlig aufgescheuerten Ärmel-Enden abschneiden und ein T-Shirt draus machen könne. Mir war auch klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch der Rest des alten Shirts durchgescheuert und damit final unbrauchbar sein würde. „Ich mache es trotzdem“. Während ich an der Nähmaschine saß, musste ich über den Begriff „lohnen“ nachdenken.  

Lohnen bedeutet „in ideeller oder materieller Hinsicht von Nutzen sein, aufzuwendende Mühe oder Kosten rechtfertigen“. Oder auf Englisch: to be worth it = „enjoyable or useful despite the fact that you have to make an effort“. Wenn man mal überlegt, wie viel Mühe und Zeit ich ins Upcycling stecke und was der Kostenspareffekt ist, dann könnte man leicht dahin kommen zu sagen, dass es sich sowieso überhaupt nicht lohnt – materiell. Nicht nur bei diesem Shirt nicht, sondern nie. Ich brauche ja hundert Mal länger als eine gelernte Schneiderin und stattdessen etwas Neues zu kaufen wäre (leider) nicht einmal besonders teuer.

Was also klar ist: der Wert des Upcycling im Allgemeinen und dieser Reparatur im Speziellen rechnet sich eher auf ideeller Ebene. Ich mag eigentlich die englische Definition noch lieber, denn die trifft meine Motivation ziemlich gut: „enjoyable“ und „useful“. Da kommt natürlich ganz viel zusammen, das man schwer beziffern kann:

  • Die Kleidung, die genäht und wiederverwendet wird, hat meist bereits eine Bedeutung für mich oder denjenigen, der sie dann trägt
  • Ich kann Müll und den Kauf von neuen Kleidungsstücken vermeiden und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten
  • Ich habe unheimlich Spaß daran, aus etwas vermeintlich Wertlosen etwas Schönes und Brauchbares zu nähen
  • Ich liebe die Herausforderung, insbesondere bei den Projekten, bei denen nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, wie ich die alten Sachen schlau wiederverwenden kann
  • Für mich gibt es keinen besseren Abend als so einen, an dem ich etwas greifbares geplant, umgesetzt und fertiggestellt habe

Letztlich ist das Upcycling ein Hobby und bei einem Hobby hat man nicht den Anspruch, dass es sich „lohnt“. Meist zahlt man ja eher noch Geld dafür, ein Hobby ausüben zu können.

Allerdings gibt es da noch die „Cost per Wear“-Komponente, und die finde ich bei Kinderkleidung gar nicht unerheblich. „Cost per wear“ (CPW) ist ein eher theoretischer Wert der sich aus den Anschaffungskosten eines Kleidungsstücks, geteilt durch die Anzahl der Tage, die es getragen wird, berechnet. Viele vermeintlich günstige Kleidungsstücke, die heutzutage gekauft werden, sind eigentlich recht teuer, wenn man sie unter dem CPW-Aspekt betrachtet. Denn schlecht verarbeitete Kleidung trägt man nicht so gerne und sie geht schneller kaputt. Oft kommt es am Ende günstiger, wenn man ein wenig mehr Geld für gute Qualität beim Kleidungskauf in die Hand nimmt. Denn dort ist der Anschaffungspreis zwar höher, aber er kann auch durch eine viel größere Anzahl an Tagen geteilt werden. 

Wenn man neue Kinderkleidung kauft (wir machen das super selten), hat man immer das Problem, dass man den „Cost per wear“-Faktor schlecht einschätzen kann, unabhängig von der gekauften Qualität. Wie schnell wächst das Kind wieder raus? Wird das Wetter so sein, dass man es überhaupt tragen kann? Mag das Kind das Kleidungsstück oder liegt es nur im Schrank herum? Tatsächlich ist der Unsicherheitsfaktor recht groß und wir haben nicht selten für genau die Sachen am meisten Geld ausgegeben, die dann am seltensten getragen wurden. Der CPW war also hoch.

Im Gegensatz dazu stehen die Kleidungsstücke, die wir gebraucht bekommen haben und die einfach über alles geliebt werden. Der Anschaffungswert war in der Regel unter 2 € und geteilt durch die 100.000 Tage, die diese Kleider schon getragen wurden, liegt der CPW klar bei 0 € (Grenzwert). Da vermehrt sich das Geld geradezu bei jedem Tragen ;-) Lohnt es sich also nicht insbesondere, genau diese Kleidungsstücke so lange wie möglich zu verwenden? Ich denke schon. Letztlich doch nicht nur ideell, sondern auch materiell.

Ich habe das Shirt also gekürzt und es im Kreislauf behalten. Und wenn euch der CPW zu kompliziert war, dann denkt einfach daran, wie Kinderaugen leuchten, wenn die Mama das Lieblings-Kleidungsstück so verzaubern kann, dass es vor der Mülltonne gerettet und noch weiter getragen werden kann. Denn Mütter können einfach alles ;-)

So, und jetzt habe ich 10 Minuten genäht und 45 Minuten an diesem Blogbeitrag geschrieben. Ob sich das lohnt… keine Ahnung :-D