Ich habe aus einem ausgedienten Turnanzug und einer ausgeleierten Turnhose einen langärmligen Turnanzug in Größe 110 genäht. Das Projekt hat mich den letzten Nerv gekostet – und mich ganz furchtbar stolz gemacht. Einen Turnanzug nähen, das war noch bis vor Kurzem für mich unvorstellbar. Aber, mein Fazit: Man muss nur wollen.
Letztens habe ich einen Persönlichkeitstest gemacht, für die Arbeit. Bei allen Fragen, bei denen es um Planung ging, habe ich angegeben, dass ich total strukturiert und planungsvoll bin. Aber wenn man drüber nachdenkt, bin ich das gar nicht immer. Heute habe ich unsere Tochter zum Turnen gebracht und gedacht, es ist ganz schön kalt. Eigentlich bräuchte sie einen langärmligen Turnanzug. Und meine Mama hatte mir vor kurzem einen ausgeleierten alten Turnanzug und eine Turnhose gegeben. Die Turnanzug Stoffe sind wirklich toll und halten immer ewig. Nur die Gummis leiern aus. Einen neuen daraus zu nähen ist daher kein Problem. Und schon stand mein Plan für den Abend fest – vielleicht bin ich ja doch manchmal der impulsiv-kreativ-spontane Typ?
Irgendwie kann ich ja nicht einfach ein Schnittmuster nehmen und das nähen. Keine Ahnung, warum. Ein Teil von mir hat keine Zahlungsbereitschaft für allerlei Schnittmuster. Ein anderer Teil von mir denkt immer, dass ich das doch einfach selbst zeichnen kann. Und schwuppdiwupp bin ich mehrere Abende damit beschäftigt, den Schnitt überhaupt erstmal zu überlegen, aus anderen vorhandenen Schnitten zusammen zu puzzeln und aufzuzeichnen. Das Schnittmuster für den Turnanzug ist eine Mischung aus dem Langarmshirt Immergrün von Firlefanz, einem Unterhosen-Schnittmuster und meiner allgemeinen Einschätzung von Länge und Breite, die ich anhand der vorhandenen Turnanzüge abgemessen hatte.

Nachdem ich also das Schnittmuster entworfen, die Overlock-Nähmaschine gereinigt und die Fadenspannung perfekt eingestellt hatte, ging alles schief. Alles. Die Overlock hat dauernd die Stiche ausgelassen und ich kam erst nach mehrstündiger Recherche und Nachfrage auf Instagram darauf, die Nadel mal auszutauschen. Der zwischenzeitliche Versuch, das ganze mit der normalen Nähmaschine zu nähen, scheiterte auch grandios – da waren die Nähte total gewellt.
Den dritten Abend verbrachte ich dann damit, alles wieder aufzutrennen, wieder zusammenzunähen, festzustellen, dass alles schief ist, alles wieder aufzutrennen, noch mal zusammenzunähen, jetzt andersrum schief, noch mal aufzutrennen, wieder zusammenzunähen und letzten Endes zu entscheiden, dass ja nichts auf der Welt wirklich gerade ist und so ein Super-Stretch-Stoff einen kleinen Hauch von Pisa hoffentlich verzeiht (wegen dem schiefen Turm, ihr versteht).

Jetzt stand erstmal die Anprobe des Rohlings an. In meinem risikoaversen Ansatz von „ich-mache-einfach-selbst-ein-Schnittmuster-wird-schon-klappen“ hatte ich den Anzug und die Ärmel sicherheitshalber etwas breiter gelassen. Daher konnte ich im nächsten Schritt dann bequem an Ärmeln und Rumpf nochmal je einen Zentimeter wegnehmen. Besser so, als anders herum. Beim Einnähen der Gummis an Beinen und Hals – eigentlich der schwierigste Teil – ging überhaupt nichts schief. Na also.

Und dann stand da plötzlich ein ganz stolzes süßes Turnanfänger-Mädchen in einem ganz kuscheligen sternenblauen langärmligen Turnanzug und hat ihren ersten mutigen Nikolaus-Wettkampf geturnt. Da darf man als Mama ruhig mal stolz sein, oder?

Mit dem Sternen-Turnanzug verabschiede ich mich in die Weihnachtspause. Bei mir ging in den letzten Wochen vieles drunter und drüber. Im nächsten Jahr beginnt ein neuer Abschnitt und dafür wird es auch Zeit. Da auch meine Kurzarbeit endet, werde ich nicht mehr so häufig bloggen können. Aber natürlich wird es weitergehen, wann immer ich die Zeit dazu finde. Denn mein Kopf ist voller Ideen und unser Dachboden ist voller Kleiderkisten :-D Frohe Weihnachten!
Beim Nähen ohne Schnittmuster muss übrigens nicht immer alles schiefgehen. Das hier sind die Projekte, die ich ganz ohne Schnittmuster genäht habe: